

Wie war das Leben in der DDR? Was bedeuteten Mauerfall und Wiedervereinigung für die Menschen in Ost und West – und was können junge Menschen heute daraus lernen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Klasse 10c des Gymnasiums Martinum. Unter Leitung ihres Geschichtslehrers Daniel Peitz nimmt die Lerngruppe am bundesweiten Jugendwettbewerb Umbruchszeiten – Deutschland im Wandel seit der Einheit teil.
Der Wettbewerb richtet sich an Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren und lädt dazu ein, sich kreativ mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen seit 1989 auseinanderzusetzen. In der aktuellen Wettbewerbsrunde steht das Thema „Neue Begegnungen“ im Mittelpunkt. Ziel ist es, Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen – etwa durch Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen oder die Erforschung von Familiengeschichten und regionalen Erinnerungsorten.
„Nach 1989/90 gab es viele Veränderungen in Ostdeutschland, aber auch in Westdeutschland. Viele Menschen zogen damals in den Osten oder von Ost nach West. Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensweisen trafen aufeinander.“ Bis zum Einsendeschluss am 01. Februar 2026 beschäftigen sich die fünf Arbeitsgruppen der 10c mit diesen vier Fragen:
Forschungsfragen:
- Wie war es, als sich Menschen aus Ost und West nach dem Mauerfall 1989 zum ersten Mal (wieder) begegnet sind?
- Wie haben die Begegnungen den Alltag der Menschen verändert?
- An welchen Orten waren die Begegnungen?
- Welche unterschiedlichen Sichtweisen gibt es auf die Ereignisse?
Um Geschichte unmittelbar erfahrbar zu machen, arbeitet die Klasse mit Dr. Frank Hoffmann von der Ruhr-Universität Bochum zusammen. Er leitet das Projekt „Zeitzeugen aus NRW – Demokratiearbeit und Diktaturerinnerung“, das von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert wird. Dadurch erhalten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, direkt mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die die DDR und den Umbruch nach 1989 selbst erlebt haben.
Anna, Jordi, Iwan, Zin, & Mohamed:
Der erste Zeitzeuge aus diesem Programm wohnt selbst auch in Emsdetten und besuchte die 10c am Montag nach den Herbstferien. Alexander Richter-Kariger wurde 1949 in Potsdam geboren und wuchs in der DDR auf. Wegen regimekritischer Äußerungen wurde er 1983 verhaftet und zu mehreren Jahren Haft verurteilt, bevor er 1985 von der Bundesrepublik freigekauft wurde. Heute lebt er in Emsdetten und engagiert sich als Autor und Zeitzeuge für die politische Bildungsarbeit. Am Montag nach den Herbstferien wurde Herr Richter-Kariger von Anna, Jordi, Iwan, Zin und Mohamed interviewt.
Carlotta & Henri:
Henri und Carlotta interessieren sich für das Thema Sport. Annelie Niethmann vom Stadtarchiv Emsdetten gab ihnen den Tipp bei der Emsdettener Wanne nachzufragen: Der bekannte Wettbewerb wurde 1985 am Plattensee in Ungarn gegründet. Reinhard Bertels (Abi-Jahrgang 1977 am Martinum) stellte sich als Interviewpartner zur Verfügung und besuchte die Klasse am Montag, den 03. November 2026.


Luisa, Lena & Maja:
Im Jahr 1956 sorgte eine Schulklasse aus dem brandenburgischen Storkow für Aufsehen: Nach einem stillen Protest gegen die Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstands verließen fast alle Schülerinnen und Schüler der damaligen Abschlussklasse die DDR. Ihr fünfminütiges Schweigen im Unterricht wurde von den Behörden als staatsfeindlich gewertet – eine Reaktion, die die Jugendlichen in Angst und Verzweiflung versetzte. Schließlich entschieden sie sich, gemeinsam nach West-Berlin zu fliehen.
Die Geschichte dieser jungen Menschen steht bis heute für Mut, Zivilcourage und den Wunsch nach Freiheit in einer Zeit politischer Unterdrückung. Jahrzehnte später wurde sie durch das Buch und den Film „Das schweigende Klassenzimmer“wieder bekannt.
Luisa, Lena und Maja haben begonnen, sich intensiv mit dem Fall zu beschäftigen. Mit Unterstützung von Dr. Hoffmann wollen sie Kontakt zu Karsten Köhler herstellen – dem letzten noch aktiven Überlebenden der Klasse aus Storkow.
Bennet, Jos, Lenny, Sophia, Lysann & Nina:
Der Prager Frühling war eine Reformbewegung in der Tschechoslowakei im Jahr 1968, angeführt von Alexander Dubček, die einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ anstrebte. Ziel war es, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und politische Mitbestimmung zu stärken, ohne den sozialistischen Charakter des Staates vollständig aufzugeben. Die Bewegung wurde im August 1968 durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts gewaltsam beendet. Dieses Thema bewegte auch die Schülerinnen und Schüler unserer Schule, in der Schülerzeitung aus dem Jahr ist zu lesen:


Mit den Angaben der Schülerzeitung aus dem Schularchiv recherchierten wir weiter und besuchten mit unserer Klasse am 03. November das Stadtarchiv in Emsdetten, um die Emsdettener Volkszeitung einzusehen. Wir wurden fündig in der Ausgabe vom 24. August 1968:

In der Mediothek des Martinums schlugen wir in dem Buch „25 Jahre Gymnasium Martinum – 1962 – 1987“ nach.
Zeitzeuge Felix Heinz Holtschke hatte 1968 sein Abitur bestanden und unternahm im Sommer 1968 Fahrradtour in die CSSR bis Prag. Dort wurde er vorübergehend festgenommen, nachdem er Fotos gemacht hatte. Er war gerade 18 Jahre alt.
Nadim, Orhan, Nike, Thea, Emily, Luis & Julius:
Dr. Anna Kaminsky ist eine deutsche Linguistin, Historikerin und Publizistin, Jahrgang 1962, die sich auf die Geschichte und Erinnerung der DDR spezialisiert hat. Sie wurde in Gera geboren und wuchs in Dessau und Halle auf – also mitten in der DDR. Dadurch hat sie das Leben im sozialistischen Staat persönlich erlebt und kennt den Alltag, die Werteerziehung und die politischen Rahmenbedingungen aus eigener Anschauung.
Ein zentraler Forschungsschwerpunkt von Kaminsky ist die gesellschaftliche Rolle der Frau in der DDR. Sie untersucht, wie Frauen im sozialistischen Staat lebten, arbeiteten und welchen Einfluss politische Ideale und gesellschaftliche Strukturen auf ihr Leben hatten.
Grit Poppe ist eine deutsche Schriftstellerin, die vor allem für ihre Kinder- und Jugendbücher bekannt ist. In ihren Werken beschäftigt sie sich häufig mit Themen aus der DDR-Geschichte, Diktaturerfahrungen und den Auswirkungen politischer Systeme auf das Leben junger Menschen.
Poppe setzt sich in ihrer Arbeit intensiv mit dem Leben in der DDR auseinander. Sie zeigt, wie Menschen – besonders Jugendliche – unter Überwachung, Zwang und fehlender Freiheit litten. In ihren Büchern schildert sie authentisch den Alltag in Heimen, Gefängnissen und unter dem Druck des Staates. Dabei will sie vor allem jungen Leserinnen und Lesern die Bedeutung von Freiheit und Zivilcourage vermitteln. Ihre Geschichten basieren oft auf wahren Begebenheiten und machen die DDR-Vergangenheit emotional erfahrbar.
Anneliese Meyer zur Altenschilde war 26 Jahre lang Bürgermeisterin von Emsdetten.
Sabine Groth ist Juristin.
Dank
Annelie Niethmann, Stadtarchiv Emsdetten
Philipp Luig, Stadtarchiv Emsdetten
Dr. Frank Hoffmann, Ruhr-Universität Bochum
Reinhard Bertels
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen:
- Dr. Anna Kaminsky
- Alexander Richter-Kariger
- Karsten Köhler
- Felix Heinz Holtschke
- Grit Poppe